Je länger ich in Thailand bin und je mehr traditionelle Gerichte ich kennenlerne, desto interessanter wird die thailändische Küche für mich.
Mir ist letztens beim Khao Soi Essen (ich berichtete) schon aufgefallen, dass man hier nicht nur um eine Balance von sauer, salzig, bitter und süß bemüht ist, sondern dass auch ein anspruchsvolles Gefühl der Speisen im Mund eine große Rolle spielt. Sozusagen die orale Haptik. Gibt’s das? Egal.
Hier wird zum Beispiel viel, mit Knochen und Gräten zerhacktes, Fleisch oder eben Fisch gegessen. Immer ein Graus für uns Westköstler, die wir sofort das Spucken und Sortieren anfangen. Die Thailänder essen alles ungerührt, vom Fischkopf bis zum Schwanz. Darauf und auf zerhackten Hähnchenknochen wird lustvoll herumgegnurpselt, bis auf den Rest, der wirklich nicht mehr zu genießen ist. Diese Teile werden geschickt mit der Zunge aussortiert und hinaus befördert.
Genau so die Chilischärfe. Viele werfen sich wirklich löffelweise Chili in die Suppe, beim Essen kommen ihnen die Tränen und der Mund brennt: Hurrah, ich lebe! Wenn das kein Abenteuer in der Mundhöhle ist (Caving-Adventure-Tours).
Bewusst geworden ist mir das jedoch erst letzte Woche, als Yuphin, wieder nach der Yoga-TaiChi-Stunde, für uns gekocht hat: Rad Nah. Ich erzählte ihr, dass ich es schon mal, eher zufällig, gegessen hatte und so gar nicht begeistert war von sojasoßengeschwängerten, breiten Reisnudeln und einer gallertartigen Gemüse-Fleisch–Masse oben drauf.
Jetzt aber zu Yuphins Rad Nah: Das ist halt so ein echter Zungenstreichler, müsst ihr Euch vorstellen. Nein, man muss die Nudeln nicht mit Sojasoße überschütten, man massiert lediglich einige Spritzer davon in die Nudelmasse und brät sie mit etwas dunkler, süßer Sojasoße gut an. Dann schon mal ins Schälchen damit.
Für die Soße wird zartes, kleingeschnittenes Schweinefleisch und Knoblauch angebraten. Dann kommt Wasser mit Stärkemehl hinzu. Das wird gekocht, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Es muss also nicht der Löffel drin stecken bleiben. Dann Stücke von frischem, chinesischem Brokkoli, normalen Brokkoli oder Blumenkohl darin garen und mit Sojasoße, Austernsoße und etwas Zucker abschmecken. In dieser Phase kann man auch kleine Bällchen, namens Luc Chin, dazugeben. Sie sind hier in Thailand allgegenwärtig, werden eingetaucht oder aufgespießt. Es gibt sie mit Schwein-, Rind-, Garnelen-, Fisch- und Huhngeschmack. Natürlich kann man Rad Nah auch mit anderen Fleischsorten oder ohne Fleisch zubereiten.
Diese Soße wird reichlich über die Nudeln gegeben und bei Tisch noch einmal gründlich mit Chili, Fischsoße, Essig und Zucker nach eigenem Gusto abgeschmeckt.
Das ist dann schon ein schönes Gefühl im Mund, kann ich nur schwer beschreiben, einfach mal ausprobieren. Von den Zutaten her, müsste das auch in Deutschland funktionieren.