„Sind wir morgen alle dick? – 40 Jahre Ernährungslügen – 10 Kilo Übergewicht“ von Pierre Weill, 1. Ausgabe der deutschen Übersetzung aus dem Französischen im systemed Verlag 2009 erschienen.
Als weiteren Untertitel kann ich mir vorstellen: „die Fett-Evolution“
In einem ausgiebigem Vorwort von Dr. Nicolai Worm und in der Einleitung bekommen wir es „dicke“ und in allen Einzelheiten und Studien, aufgezeigt. Wie wir, und damit nicht nur die Franzosen, langsam immer dicker werden. Kein wirklich schöner Einstieg.
Aber schnell wird es interessant, ja spannend, zu lesen, wenn uns Pierre Weill in unterhaltsamer und verständlicher Erzählweise durch die Speisekammern der Jahrtausende führt.
Mit Hilfe der Charaktere von Lucy aus der Steinzeit, von Lili und Lülü, bis hin zu Lucien seinem Freund im hier und jetzt, erfahren wir von den Einflüssen, die unsere Gene noch heute auf unseren Stoffwechsel und unsere Ernährung haben. Er schildert eindrucksvoll, wie sehr sich unsere Nahrungsmittel und Ernährungsgewohnheiten in den letzten 40 Jahren von unseren eigentlichen Bedürfnissen und biochemischen Möglichkeiten immer weiter entfernt haben.
Pierre Weill ist Agraringenieur mit dem Fachgebiet Tierfütterung und Rinderzucht, was erklärt, warum eine hauptsächlich oder grundsätzlich vegetarische Lebensweise in seinem Buch keine Erwähnung findet. Aber davon einmal abgesehen, sind alle seine Ausführungen interessant zu lesen. Wir erfahren viel über gesättigte, ungesättigte Fettsäuren und Transfette. Dabei gefällt es mir, dass er die chemischen und genetischen Sachverhalte immer in einem möglichst großen Zusammenhang einbettet.
Er erklärt, wie und warum sich Fett überhaupt an unseren Hüften und Bauch ansammelt, früher wie heute; wie sich unsere Grundnahrungsmittel zusammensetzen, früher und heute.
Einen großen Raum nimmt dabei das Verhältnis von Omega 3 zu den Omega-6-Fettsäuren ein. Keine Angst, es wird nicht zu chemisch, aber dennoch werden die benötigten Fakten geliefert um der Argumentation folgen zu können. Auch das Thema der Cholesterinhysterie seit Beginn der 60er Jahre wird in diesem Zusammenhang eingebettet.
Ebenso die Tendenz, dass Nahrungsmittel gern mal zu sogenannten Nutraceuticals (Nahrungsmittel als Medikament) designt werden.
Völlig logisch, Milch ist nicht gleich Milch, ein Ei gleicht dem anderen, aber nur äußerlich. Dennoch, oft denkt man gar nicht daran, dass auch Nahrungsmittel ohne Zusatzstoffe und Zutatenliste einen völlig unterschiedlichen Nährwert haben können, allein durch die Fütterung der Tiere. Und was für einen Unterschied! Der reicht sogar tief hinein bis in das Ozonloch. Sein Blick verliert sich nie im Detail und so erfährt man zum Beispiel, was für Auswirkungen der (regionale) Rapsanbau für den Biosprit auf unsere Milch hat.
Schön für mich, als Foodcoach mit Genussgarantie, dass all seine Argumentationen nie den Genuss ausschließen, im Gegenteil: Genuss ist immer auf Seiten der Gesundheit und zwar Gesundheit für uns Menschen, die Tiere und die Umwelt.
Das Schönste zum Schluss: ein köstliches Festbankett mit allen Beteiligten und: er lässt uns mit dem Gelesenen nicht im Regen stehen, denn er bietet Lösungsansätze, für jeden Leser, egal ob Bauer, Politiker oder Konsument. – Absolut lesenswert!